Montag, 18. September 2017

Vorschau SVS - Union Berlin





Gemeinsam mit Daniel Roßbach von Eiserne Ketten (-> https://eiserneketten.de/) blicke ich auf die morgige Partie gegen den 1. FC Union Berlin

Was macht Sandhausen so?

  • Wie sieht die Spielidee von Sandhausen unter Kenan Kocak aus?
Kocak ist kein Verfechter einer speziellen Spielidee. Anders als klassische Konzepttrainer wie beispielsweise Roger Schmidt oder Lucien Favre basiert seine Herangehensweise auf formationsübergreifenden Spielprinzipien. Trotzdem gibt es beim SV Sandhausen einige prägende Elemente sowie zwei Grundformationen, die sich immer wieder in ihrem Spiel finden lassen.
Kocak hat in der Sommerpause neben dem klassischen 4-4-2/4-2-3-1 das 5-2-3 als weiteres Spielmodell hinzugefügt. Es wird wohl vor allem gegen Mannschaften eingesetzt, die konstant mit einem Sechser abkippen. Sandhausen kann mit Hilfe des 5-2-3 das nun entstandene gegnerische 3-4-3 spiegeln und relativ leicht direkte Zuordnungen auf dem Platz schaffen. Gegen Dresden konnte der SVS so praktisch auf dem gesamten Feld „Mann gegen Mann“ spielen. Im eigenen Ballbesitzspiel ermöglicht die Formation eine adäquate Halbraumbesetzung, da die Flügel nur einfach besetzt sind. Die beiden Wingbacks rücken früh auf, geben dem Spiel Breite und versuchen die Angriffe diagonal über die Halbräume weiterzuleiten.

Auch wenn Sandhausen nicht mehr so hoch presst wie in der vergangen Saison, lassen sie sich kollektiv selten tief in die eigene Hälfte fallen. Kocak nutzt dabei standardmäßig gegen den Ball eine 4-4-2/4-2-3-1 Formation. Insbesondere in der Hinrunde der vergangen Saison konnte der SVS relativ leicht direkte Mannorientierungen herstellen und den Gegner bereits beim Spielaufbau unter Druck setzten. Im Laufe der Rückrunde sowie in der aktuellen Saison fällt auf, dass Sandhausen sich einer optionsorientierteren Spielweise zugewandt hat. Die Mannorientierungen werden nicht mehr starr ausgeführt, die Spieler agieren unter der Prämisse den Gegner in einen bestimmten Abschnitt des Feldes zu leiten. Dort werden Lokalkompaktheiten hergestellt und wird versucht, den Gegner in Überzahlsituationen zu isolieren.

Auch die Wahl der Pressinghöhe ist flexibler geworden. Sandhausen greift in dieser Saison überwiegend auf ein hohes Mittelfeldpressing zurück. Die beiden Stürmer versperren den direkten Weg in das Zentrum, die Flügelspieler orientieren sich in die Halbräume. Einzelne Trigger wie beispielsweise ein Rückpass auf den Torwart oder eine Zuspiel auf den Außenverteidiger dienen als Signal für kollektive Aufrückbewegungen und intensives Attackieren des Gegners.
Werden die Sandhäuser ihrerseits zu langen Bällen gezwungen, schieben die beiden Sechser aggressiv nach vorne und stellen gemeinsam mit den einrückenden Flügeln eine enorme Zentrumskompaktheit her. Die Viererkette schiebt ebenfalls kollektiv sauber nach vorne, so dass die Sandhäuser dem Gegner zwar offene Räume anbieten, auf Grund ihrer vertikalen Kompaktheit aber trotzdem stabil gegen den Ball arbeiten können.

Anfällig zeigen sich die Sandhäuser überraschenderweise nach langen Bällen. Gegen Kiel wurde der SVS mit vielen langen Bällen nach hinten gedrückt und hatte in den anschließenden Duellen um zweite Bälle oftmals das Nachsehen. Da mittlerweile die wenigsten Teams wirklich konstant lange Bälle spielen, fällt diese Schwäche bisher allerdings kaum ins Gewicht.

Im eigenen Ballbesitzspiel konnte der SVS über die Sommerpause den wohl größten Fortschritt verzeichnen. Auch hier ist der SVS wesentlich flexibler geworden und baut mal aus einem 2-4-4 oder einem 3-4-3 auf.

Das 3-4-3 im eigenen Ballbesitz testete Kocak bereits vergangene Runde in der Partie beim 1. FC Kaiserslautern. Das Abkippen des Sechser wird durch ein Zurückfallen von Höler beantwortet, die beiden Flügel schieben nach vorne neben den Zentrumsstürmer. Im Zentrum entsteht dann eine Rauten-ähnliche 1-2-1 Formation. Diese Formation ermöglicht dem SVS passende Dreiecksbildungen in den Halbräumen um kombinativ in höhere Zonen vorzudringen.
Verzichtet der SVS auf Abkippbewegungen eines Sechser und baut daraufhin mit beiden Innenverteidigern in der ersten Linie auf, schieben die Außenverteidiger nur auf Höhe der Sechser und halten den Kontakt zur Aufbaureihe. Die Flügelspieler schieben dann in die letzte Linie neben die beiden Stürmer.

Auffällig ist, dass der SVS wesentlich sicherer und geduldiger den Ball in der ersten Linie zirkulieren lässt, und deutlich weniger lange Bälle schlägt. Der Spielvortrag ist vor allem durch viele 'Laserbälle' zwischen die Linien geprägt. Dabei wird vor allem der umtriebige Höler gesucht, der sich regelmäßig im Zentrum anbietet, Bälle sichert, klatschen lässt oder Standards rausholt.

Sandhausen forciert bewusst diese diagonalen Anspiele von den Außen ins Sturmzentrum. Gelangt der Ball auf die Flügel, wird sofort versucht, den Ballvortrag diagonal ins Zentrum oder die Halbräume fortzusetzen. Ein Diagonalpass hat sowohl einen direkten Raumgewinn als auch eine Verlagerung zur Folge, was dazu führt, dass der Passempfänger ein gutes Blickfeld hat, das ihm ein sicheres Weiterspielen ermöglicht. Das Risiko des mangelnden Drucks auf den Gegner durch Horizontalpässe und der eingeschränkte Blickwinkel bei Vertikalpässen werden durch das diagonale Zuspiel umgangen. Bei diagonalen Pässen werden also die Vorteile von Vertikal- und Horizontalpässen miteinander verbunden, während die jeweiligen Nachteile neutralisiert werden.

Besonders hilfreich ist dabei, dass sich einige Spieler unter Kocak individuell verbessert haben. Vor allem Knipping wirkt in der Innenverteidigung wesentlich ruhiger und traut sich nun auch aktiv am Spielaufbau teilzunehmen. Karl hat oftmals ein gutes Timing beim Abkippen und kann auch längere, diagonale Chip- oder Flankenbälle an den Mann bringen.

  • Was ist so mit Eroll Zejnullahu los? Wie passt er in die Pläne von Kenan Kocak? Und konnte er seine Rolle bisher ausfüllen?
Zejnullahu konnte leider verletzungsbedingt nicht die komplette Vorbereitung mitmachen, und ist auch aktuell wieder leicht angeschlagen, sodass er bis jetzt nur auf 155 Einsatzminuten gekommen ist. Kocak testete ihn in der Vorbereitung sowohl auf der Sechs, als auch den Flügeln. Dort deutete er bereits seine Pressingresistenz sowie seine Stärke in kleinräumigen Aktionen an. Auch gegen den Ball arbeitete er solide mit und hatte ein gutes Timing im Herausrücken.
In der Punktspielrunde wurde er ob der großen Konkurrenz auf der Sechserposition aber vor allem in vorderen Positionen eingesetzt. Häufig kam ihm die Rolle als Joker zuteil, der in der oftmals tendenziell „chaotischeren“ Schlussphase die Verbindung in vorderen Zonen herstellen und für Durchbrüche sorgen sollte. Das gelang ihm auch soweit ganz gut.
Kocak möchte , dass er sich in den Halbräumen orientiert und effektive Verbindungen in den Zehnerraum herstellt. Deswegen wird man ihn wohl häufiger im 5-2-3 von Beginn an erwarten können. Gegen Dresden spielte er seine einzige Partie von Beginn an und übernahm einen Part in der offensiven Dreierreihe.

Union hat zwei Varianten die Zehn zu besetzen, mit Damir Kreilach vertikaler und mit Durchschlagskraft, oder mit Marcel Hartel etwas spielerischer und mit mehr ausweichenden Bewegungen in den Sechserraum. Womit käme Sandhausen besser und womit schlechter zurecht?

Schwer zu sagen, aber tendenziell würde Sandhausen mit letzt genannter Variante wohl etwas mehr Probleme bekommen. Im Hinspiel der Saison 16/17 konnte Union bereits mit Hilfe des häufig rochierenden Dreiermittelfeld die eigene Ballzirkulation in tiefen Zonen sicherstellen und das Sandhäuser Pressing neutralisieren.
Durchschlagskraft ist auch immer von der individuellen Qualität abhängig. Kreilach könnte durchaus dabei helfen, sich gegen Sandhausens Lokalkompaktheiten mit schnellen Dribblings und Tororientiertheit zu befreien. Ein hoch positionierter Kreilach könnte außerdem einen Sandhäuser Sechser binden und am Aufrücken hindern.
Sollte Sandhausen im 4-4-2 agieren wäre eventuell eine Kombination aus beiden sinnvoll. Union könnte mit einem tieferen Hartel Sandhausen etwas anlocken, und gleichzeitig versuchen, Kreilach im Zwischenlinienraum zu finden, der dann in 1:1 Situationen seine Schnelligkeit gegen Knipping oder Kister ausspielen könnte. Entscheidend ist dabei, dass Kreilach in einer passenden Körperstellung angespielt wird und etwas Raum erhält um Tempo aufzunehmen.

Was fehlt Union?

  • Union wirkt auch in dieser Saison immer etwas unvollendet. Wieso gelingt es nicht über 90 Minuten ein Spiel zu dominieren?
Zu einem gewissen Grad, weil der Stil der Mannschaft darauf nicht ausgelegt ist. Der (Gegen)pressing fokussierte Fußball, den Jens Keller etc. ihre Union Mannschaft spielen lassen, nutzt das durchaus vorhandene spielerische Potential nicht, um Gegnern Phasen ruhiger Kontrolle aufzuzwingen. Auch in eigenen Ballbesitzphasen, die nicht aus Pressingsituationen resultieren, sucht Union oft eher schnelle Wege nach vorn. Ganz davon abgesehen, wie effektiv das ist, lässt diese strategische Entscheidung Umschaltmomente auch für den Gegner zu.
Weil in einigen Spielen in dieser Saison gerade die Konterabsicherung suboptimal war, entstanden daraus immer wieder auch Torgelegenheiten und Tore für den Gegner, die verhinderten, dass Union Spiele deutlich hätte dominieren können. In anderen war man auch auf Grund von Schwierigkeiten im Aufbau ohnehin nicht spielbestimmend. Ein Mangel an gut strukturiertem Ballbesitz schadet außerdem auch dem Gegenpressing.

Neben bewussten Entscheidungen hatte Union in dieser Saison so auch Probleme, sein Pressing effektiv anzusetzen und genügend Ballgewinne zu generieren, um Dominanz aufzubauen. Das lag manchmal an unklaren Aufteilungen in der Pressingspitze, deren Besetzung etwas häufiger wechselte als in der vergangenen Saison. In anderen Spielen machte Union dagegen zu viele kleine Fehler, die es erlaubten, dass Pressing zu durchspielen und nicht bloß lang zu überbrücken.

Sandhausen wird sehr wahrscheinlich nur situativ hoch pressen. Wie hat sich das Aufbauspiel bei Union entwickelt?

Zunächst negativ, auch wenn Ansätze von Besserung zu sehen sind. Obwohl die Besetzung des zentralen Mittelfeld regelmäßig wechselte, hatte Union in fast allen Spielen Schwierigkeiten, Verbindungen innerhalb des Mittelfeldes und zwischen der Doppelsechs und den offensiven Außen herzustellen. In den Spielen, in denen Stephan Fürstner nicht auf der Sechs spielte, fehlte dessen Ballverteilung. Aber auch mit ihm lief es nicht immer besser, da gerade wenn Kroos sich hinter Fürstner fallen ließ - was öfter vorkam - es Gegnern mit eher abwartendem Pressing oft gelang, Fürstners Optionen nach vorn zu verstellen. Resultat waren dann oft Eröffnungen über die Außenverteidiger, die zwar individuell gut sind, denen aber in diesen Vorstößen auf dem Flügel limitierte Optionen zur Verfügung standen. Außerdem gab es viele lange Bälle auf Polter in Räumen, die Union nicht überladen konnte.

Abhilfe dazu sollen wohl die nominellen Flügelspieler schaffen, die sich oft sehr tief und in den Halbräumen statt auf den Flügeln anboten. Gegen Braunschweig am Freitag war zu sehen, dass Hedlund und Gogia öfter aus der ersten Aufbaulinie angespielt wurden. Um das zu verhindern, sollte Sandhausen einerseits nicht einen Fehler Braunschweigs wiederholen, die Leistner eher mehr Ruhe im Aufbau ließen als Schönheim. Andererseits müssen sich die Außenverteidiger entscheiden, ob sie Unions Außen verfolgen möchten, um zu verhindern, dass die Überladungen in Richtung Zentrum herstellen. Keine der Alternativen ist risikofrei, da auch die Außenverteidiger Unions weit bis sehr weit aufrücken und große Freiräume vor sich nutzen können.

Inwiefern verändern Hartel und Fürstner das Spiel der Eisernen? Welcher Spielertyp wird für das Spiel in Sandhausen wahrscheinlich bevorzugt werden?

Zuletzt wurde der eine als 'Auswärts-Fürstner' deklariert, was für den anderen noch das Label 'Heim-Hartel' übrig ließe. Der Vergleich zwischen beiden Szenarien muss aber auch die übrigen Mittelfeldspieler einschließen, denn Hartel und Fürstner sind ja nicht Optionen für die selbe Position. Vielmehr spielt Union mit Fürstner mit dem FKK-Mittelfeld, in dem in dieser Saison Fürstner und Kroos klarer als Doppelsechs agieren als in der letzten Spielzeit, während vor ihnen Damir Kreilach die 10 besetzt. Spielt Hartel dort, rückt Kreilach nach hinten neben Kroos, der die Rolle von Fürstner einnimmt.

So besteht der Hauptunterschied in der Spielweise von Kreilach und Hartel. Erster hat in manchen Spielen den Hang, etwas zu oft oder zu früh in die vorderste Linie aufzurücken und so die Optionen im Mittelfeld zu beschneiden. Dagegen fällt Hartel gern auf die Linie der Doppelsechs zurück, um sich Bälle abzuholen, ist dann aber etwas chaotisch in seinen Aktionen (und zuletzt zu sehr auf Abschlüsse aus der Distanz aus).

Es wäre nicht überraschend, wenn auch in Sandhausen Fürstner wieder in die Mannschaft käme, gerade, um etwas zur Absicherung gegen Sandhausener Konter abzusichern. Schwächen in der Konterabsicherung sind die Kehrseite der offensiven Rolle der Außenverteidiger Unions, und Nejmeddin Daghfous hat schon für Würzburg gezeigt, dass er diese Schwäche ausnutzen kann.
  

 




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen